Die Architektin Vera Hartmann von Sauerbruch Hutton im Interview
Wie gehen Sie ein Projekt/Wettbewerb wie das Hochhaus in Konstanz an?
Neben den programmatischen Anforderungen und spezifischen Bauherrenwünschen, die jedes Projekt mit sich bringt, setzen wir uns von Anfang an auch mit der vorgefundenen Situation auseinander. Das heißt: In welchem städtischen Umfeld entsteht das neue Projekt? Welche stadtgeschichtliche Entwicklung hat der Ort erfahren? Gibt es, wie im Fall des Telekom-Hochhauses, Bestandsbauten und wie können diese integriert werden? Und dann ist jeder Entwurfsprozess von der Frage begleitet, wie sich der Entwurf in Beziehung bringt, einerseits zu diesen vorgefundenen oder gewachsenen Faktoren, aber andererseits auch zu den Bedürfnissen seiner zukünftigen Nutzer. Das macht für uns lebendige, kommunikative Architektur aus.
Was ist für Sie das Besondere an den ODE LOFTS KONSTANZ?
Ein Bestandsgebäude dieser Größe umzuplanen, ist schon an sich eine besondere Aufgabe. Nicht nur, dass es galt, den Bau in eine andere Nutzung zu überführen und ihm eine neue Gestalt zu geben. Durch die Umwandlung in ein Wohnhochhaus erhält auch der Standort eine ganz andere Qualität. Auch aufgrund seiner Höhe ist das Gebäude ja weithin sichtbar. Die neue Fassade repariert nun ein Stück weit die Dimension, die dieses Gebäude hat. Die neuen Balkone, die einen Faltenwurf um das Haus legen, sind mit farbiger Keramik bekleidet, was fast eine textile Anmutung erzeugt.
Welche Herausforderungen gab es bei derUmwandlung in ein Wohngebäude?
Abgesehen davon, dass man beim Bauen im Bestand immer mit Überraschungen rechnen kann – neben Altstoffen war auch die filigrane statische Konstruktion ein Problem –, werden an ein Wohngebäude andere Anforderungen gestellt als an ein Bürogebäude. So orientieren sich alle Wohngrundrisse am bestehenden Stützraster. Darüber hinaus sind auch die Anforderungen z.B. an die Dämmung, den Brandschutz oder die Haustechnik andere als zur Zeit der Planung des Originalbaus in den 60er Jahren.
An den Längsseiten wurde dem Baukörper jeweils ein Screen aus Balkonen hinzugefügt. Auch diese Maßnahme war eine Herausforderung an Statik und Bauphysik, die aber essentiell für eine Wohnnutzung ist, da die Balkone die Wohnräume nach außen erweitern und so den direkten Zugang zu der sehr schönen Umgebung ermöglichen. Der Blick auf den Bodensee und die Alpen ist von so einem Hochpunkt natürlich umwerfend.
Was zeichnet die neuen Loft-Apartments bzw. das Hochhaus aus?
Die Innenräume werden als moderne Lofts gesehen, die das Vorleben des Hauses als Bürohaus ablesbar lassen. Die Grundrisse sind offen und flexibel gehalten. Große Einheiten können um Nachbarwohnungen erweitert oder in kleinere unterteilt werden, so dass neben dem geforderten Wohnungsmix eine Vielzahl von Typen ermöglicht wurde. Innerhalb der Wohnung sind die Nebenräume zugunsten des großen Wohnraumes klein gehalten. Entlang der Fassade sind weitere Räume mit Schiebetüren abgetrennt, sodass die gesamte Breite der Wohnung ablesbar bleibt. Die Balkone erweitern dann jede Wohnung um einen individuell bespielbaren, aber geschützten Außenraum.
Wie wird das Thema Nachhaltigkeit umgesetzt?
Von der Rohbaustruktur, in der die sogenannte graue Energie gebündelt ist, wurden 93% erhalten und als Ressource genutzt. Das hat natürlich viel Gewicht hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Im Falle eines Abrisses mit anschließendem Neubau hätte der Stahlbeton erst entsorgt und daraufhin neuer eingebracht werden müssen. Unsere Berechnungen ergaben, dass wir so insgesamt 2.268 Tonnen CO2 eingespart haben. Das ist so viel CO2 wie 2.268 Buchen in 80 Jahren binden.
Zusätzlich haben wir auch alle verwendeten Materialien untersucht. Das Aluminiumblech, das wir für die Außenhaut verwenden, besteht zu 80% aus Recyclingmaterial und lässt sich nach seiner Lebensdauer auch wieder einfach demontieren. Energetisch wird das Haus mittels Wärmepumpen versorgt. Und wir nutzen ebenfalls die schon vorhandene Technikeinhausung auf dem Dach, um dort Solarpaneele zu installieren.
Wie würden Sie die ODE LOFTS KONSTANZ in 3 Worten beschreiben?
Ressourcen schonen. Präsenz zeigen. Weite genießen.